Die Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen Arbeitgebendem und Betriebsrat, welche die Rechte und Pflichten der Parteien regelt und verbindliche Ansprüche für die Arbeitnehmenden auf kollektivrechtlicher Ebene festhält. Es wird auch das “Gesetz des Betriebes” genannt.
Betriebsvereinbarungen werden in erzwingbare (obligatorische) und freiwillige Betriebsvereinbarungen unterteilt.
- Erzwingbare Betriebsvereinbarungen enthalten solche Regelungsinhalte, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats umfassen, für die das Betriebsverfassungsgesetz abschließend bestimmt, dass der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgebenden und Betriebsrat ersetzt (insbesondere in den Fällen des § 87 BetrVG sowie beim Sozialplan gemäß § 112 BetrVG).
- In allen anderen Angelegenheiten handelt es sich um freiwillige Betriebsvereinbarungen, welche nur zustande kommen, wenn sich Arbeitgebender und Betriebsrat über eine Regelung einigen oder sich dem Spruch einer einvernehmlich einberufenen Einigungsstelle freiwillig unterwerfen.
Die Betriebsvereinbarung entfaltet seine Wirkung, wenn
- ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats vorliegt,
- sie in Schriftform erfolgt, mithin von beiden Parteien (Arbeitgebenden sowie Betriebsrat) unterschrieben ist,
- kein Verstoß gegen höherrangiges Recht (Vorrangprinzip - Normenpyramide) vorliegt und
- eine Abänderung des individualrechtlichen Arbeitsvertrages des jeweiligen betroffenen Arbeitnehmenden möglich ist (Günstigkeitsprinzip - Normenpyramide).
Bei einem wirksamen Abschluss entfaltet die Betriebsvereinbarung eine schuldrechtliche und normative Wirkung:
- Schuldrechtliche Wirkung: Der Arbeitgebende und der Betriebsrat sind verpflichtet, die Inhalte der Betriebsvereinbarung entsprechend umzusetzen (§ 77 Abs. 1 BetrVG) und alles zu unterlassen, was der Vereinbarung zuwiderläuft (BAG v. 10.11.1987 - 1 ABR 55/87). Setzt der Arbeitgebenden eine Betriebsvereinbarung nicht ordnungsgemäß um, können ihm auf Antrag des Betriebsrats die betriebsvereinbarungswidrigen Maßnahmen (Unterlassungsantrag) vom Gericht untersagt werden (BAG v. 10.11.1987 - 1ABR55/86).
- Normative Wirkung: Die Regelungen einer Betriebsvereinbarung wirken unmittelbar, damit wirken sie wie ein Gesetz (“Gesetze des Betriebs”) auf die Arbeitsverhältnisse und gestalten den Inhalt der Arbeitsverhältnisse unmittelbar (automatisch), ohne dass es auf Billigung oder Kenntnis der Arbeitnehmenden ankommt, und zwingend, damit dürfen sie nicht durch einzelvertragliche Absprachen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zu deren Ungunsten verändert werden (§ 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG, BAG v. 16.9.1986 - GS 1/82).
Eine Betriebsvereinbarung kann durch verschiedene Ereignisse beendet werden:
- Inkrafttreten einer neuen Betriebsvereinbarung (Ablösungsprinzip) oder eines Tarifvertrages oder Gesetzes über denselben Regelungsgegenstand;
- Einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung zwischen Arbeitgebenden und Betriebsrat;
- Kündigung der Betriebsvereinbarung unter den im Vertrag angegebenen Kündigungsfristen oder der gesetzlichen Fristen gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG (3 Monate);
- Erreichen des beabsichtigten Zwecks (bspw. einmalige Prämienzahlung, Überstundenregelungen für das erste Quartal);
- Zeitablauf einer befristeten Betriebsvereinbarung;
- Stilllegung des gesamten Betriebs (Ausnahme: solche Betriebsvereinbarungen, die über die Stilllegung hinaus fortwirken; z.B. Sozialplan, Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung);
- endgültigen und dauernden Fortfall des Betriebsrats.
Wurde die Betriebsvereinbarung durch eine Betriebspartei beendet (insbesondere durch einseitige Kündigung) und die Kündigungsfrist ist bereits abgelaufen, entfaltet die Betriebsvereinbarung so lange ihre schuldrechtliche und normative Wirkung, solange ihre Nachwirkung besteht.
Bei erzwingbaren Betriebsvereinbarungen besteht durch das Gesetz gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG eine Nachwirkung, mithin entfaltet die Betriebsvereinbarung ihre Wirkung, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Es sei denn, die Betriebsparteien haben in der jeweiligen erzwingbaren Betriebsvereinbarung die Nachwirkung explizit ausgeschlossen. Befindet sich eine Betriebsvereinbarung in der Nachwirkung verliert sie ihre zwingende Wirkung, da sie durch andere Vereinbarungen, auch zu Ungunsten der Arbeitnehmenden abgelöst werden kann.
Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen wird der gesetzliche Automatismus gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG in Form der Nachwirkung nicht ausgelöst. Demnach gilt eine Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nur dann, wenn die Betriebsparteien dies in der freiwilligen Betriebsvereinbarung explizit aufnehmen. Enthalten die Betriebsvereinbarungen sowohl erzwingbare als auch freiwillige Regelungsgegenstände, gilt die Nachwirkung entsprechend der Regelungsinhalte. Ist eine inhaltliche Aufteilung nicht möglich, entfaltet zur Sicherung der Mitbestimmung die gesamte Betriebsvereinbarung Nachwirkung (BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07).