Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist seit jeher ein höchst umstrittenes Thema. Zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer:innen hat der Gesetzgeber unter anderem deshalb ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) geregelt.
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über die Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen im Kündigungsschutzprozess zu entscheiden, die vermeintlich unter Verstoß gegen die DSGVO und das BDSG sowie eine Betriebsvereinbarung entstanden.
Zum Fall: dem Beschäftigten einer Gießerei wurde vorgeworfen, sich für eine Mehrarbeitsschicht gemeldet zu haben, anschließend das Werksgelände ohne Ableistung der Schicht wieder verlassen zu haben, um sie dennoch vergütet zu bekommen. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
Im Verfahren sollte das vorzeitige Verlassen des Werksgeländes durch eine Bildsequenz bewiesen werden. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht hielten jedoch die Verwertung dieser Bildsequenz als Beweis für unzulässig, da die Aufnahmen zu lange gespeichert wurden, obwohl Hinweisschilder eine Speicherdauer von 96 Stunden ausgewiesen hatten. Außerdem war in einer Betriebsvereinbarung festgehalten worden, dass anhand der Videoaufzeichnungen keine personenbezogene Auswertung von Daten erfolgt.
Das BAG hält die Verwertung der Bilder dennoch für zulässig. Unabhängig davon, ob gegen die Betriebsvereinbarung oder DSGVO und BDSG verstoßen worden sei, führe dies nicht zu einem Beweisverwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess.
Da die Kameras sichtbar angebracht waren und Hinweisschilder auf die Überwachung aufmerksam machten, sei unerheblich, ob die oben genannten Verstöße vorlagen. Das Datenschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiege bei einem vorsätzlichen Pflichtverstoß (hier: der vermeintliche Arbeitszeitbetrug) nur dann, „wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung“ darstelle, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei.
Das BAG hat es also wieder getan. Das Ergebnis sollte mittlerweile niemanden mehr überraschen. Seit Jahrzehnten vertritt das BAG eine klare Linie bei dem Zusammentreffen von (mitbestimmungswidrig erlangten) technischen Beweismitteln und der darauf fußenden Kündigung durch die Arbeitgeberschaft.
Prägnanter als 2018 (Urteil vom 23.08.2018 – 2 AZR 133/18) hat es der Senat aber nie kommentiert als in der Entscheidung, die unter der Überschrift „Datenschutz ist kein Tatenschutz“ bekannt ist. Das BAG führte unmissverständlich aus:
Der rechtmäßig gefilmte Vorsatztäter ist nicht schutzwürdig, was die Aufdeckung und Verfolgung seiner – materiell-rechtlich noch verfolgbaren – Tat anbelangt. Er wird dies auch nicht durch reinen Zeitablauf. Andernfalls denaturierte die Inanspruchnahme des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in dem alleinigen Zweck, den Täter vor der Verantwortung für vorsätzliches rechtswidriges Tun zu bewahren.
Dies gelte selbst dann, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht beteiligt habe; und zwar unabhängig davon, ob die Videoüberwachung offen oder verdeckt (Urteil vom 20.10.2016 – 2 AZR 395/15) stattfinde. Das BAG kommt stets zu dem einfachen Schluss, dass ein Beweisverwertungsverbot gesetzlich nicht geregelt sei. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüberhinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens.
Nach all den Einschränkungen, die § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mittlerweile erfahren hat (kein Initiativrecht des Betriebsrats – insbesondere bei Zeiterfassungssystemen [Stechuhrurteil]; der Arbeitgeber kann alle Beweise in den Kündigungsschutzprozess einbringen, unabhängig von der Zeitschiene, Datenschutz oder Mitbestimmung [„Zufallsfundurteil“]), stellt sich letztlich die Frage, was bei solchen Fallkonstellationen für die Mitbestimmung übrig bleibt.
Die Rechtsprechung zu diesem Thema entwickelt sich für die Arbeitnehmervertretung immer mehr zum „Abgesang auf die Mitbestimmung“. Schließlich wird den Betriebsräten als Konsequenz eines Verstoßes gegen ihr Mitbestimmungsrecht regelmäßig beigebracht, dass die darauf beruhenden Maßnahmen der Arbeitgeberseite grundsätzlich unwirksam seien. Dies gilt anscheinend nicht bei Nr. 6.
Steht zu hoffen, dass diese Entwicklung nicht auch bei anderen Mitbestimmungsrechten des § 87 BetrVG „Mode macht“.