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Kürzung von Urlaubsentgelt wegen Kurzarbeitergeld (EuGH 13.12.2018 – C-385/17)

- 18. Oktober 2021 -
EWCC_Fachartikel_Urlaubsgeld
Fotocredits: pexels 1938032

Mit Urteil vom 13.12.2018 hat der EuGH festgestellt, dass Regelungen in Tarifverträgen unionsrechtswidrig sind, die für die Bemessung der Urlaubsvergütung Gehaltseinbußen in Folge von Kurzarbeit berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Problematik ist, dass die Urlaubsvergütung anhand eines Referenzzeitraums von 13 Wochen vor Beginn des Urlaubsbeginns bestimmt wird, wobei u.a. Verdienstkürzungen in Folge von Kurzarbeit grundsätzlich nicht berücksichtigt werden sollen. Eine gesetzliche Ausnahme besteht für den Fall, dass ein Tarifvertrag abweichende Regelungen enthält. Im Streitfall lagen abweichende Regelungen dergestalt vor, dass der einschlägige Tarifvertrag den Bruttomonatslohn auf Jahresbasis berechnete und dabei Verdienstkürzungen in Folge von Kurzarbeit anspruchsmindernd berücksichtigte. Dies hatte zur Folge, dass Arbeitnehmer, die zuvor Kurzarbeit leisteten, erheblich weniger Urlaubsgeld bekamen als solche, die voll gearbeitet haben. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil die Kurzarbeit vom Arbeitgeber angeordnet wird und der Arbeitnehmer nicht voll arbeiten kann, auch wenn er es will.

Der EuGH führte aus, dass eine solche Berücksichtigung unionsrechtswidrig ist, da sich der Arbeitnehmer veranlasst sehen könnte, seinen Jahresurlaub nicht zu nehmen bzw. zu einem anderen Zeitpunkt. Dennoch betonte der EuGH, dass die verringerte Arbeitszeit in Folge von Kurzarbeit zu einem geringeren Urlaubsanspruch führen könne, da sich der Arbeitnehmer den Urlaub erarbeiten müsse (EuGH 08.11.2012 – C-229/11). Das deutsche Arbeitsrecht sieht aber vor, dass Arbeitnehmer die in Kurzarbeit arbeiten, einen vollen Urlaubsanspruch haben. Aus dem Urteil lässt sich nur ableiten, dass dieser nach Unionsrecht verkürzte Urlaubsanspruch auf Grundlage des bisher erzielten Bruttojahresgehaltes, ohne Kurzarbeit, zu bemessen ist. Darüber hinausgehender Urlaub, auch der nach deutschem Recht, darf einer Kürzung unterzogen werden. Hintergrund für die Unterschiede zwischen deutschem und europäischem Recht ist, dass der EuGH davon ausgeht, dass sich der Arbeitnehmer seinen Urlaub erarbeiten muss. Dies führt dazu, dass sich auch in anderen Bereichen, wie z.B. der Elternzeit, Urlaubskürzungen ergeben. Nach deutschem Recht gibt es keine bzw. wenig solcher Kürzungen, da nach deutschem Verständnis allein der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Erwerb von Urlaubsansprüchen führt. Der EuGH ist in dieser Hinsicht eher arbeitgeberfreundlich. 

Beispiel:

Arbeitnehmer A befand sich 2016 die Hälfte des Jahres in Kurzarbeit, wobei er so gut wie gar nicht gearbeitet hat. Im Laufe der Jahre 2015 und 2016 nahm A 30 Urlaubstage, auf die er im Jahr 2015 Anspruch erworben hat. Der einschlägige Tarifvertrag berechnete die Urlaubsvergütung unter Berücksichtigung des Kurzarbeitergeldes, wodurch sich ein Anspruch i.H.v. 2250 € für die 30 Urlaubstage ergab. Der EuGH geht nun davon aus, dass A durch die Kurzarbeit nach europäischem Recht nur einen Anspruch auf zwei Wochen Urlaub erworben hat, dieser jedoch auf Grundlage seines durchschnittlich erzielten Bruttomonatslohn zu messen ist und das Kurzarbeitergeld nicht zu einer geringeren Vergütung für diese zwei Wochen führt. Für die übrigen Urlaubstage, die A nach deutschem Recht zustehen, darf jedoch auch nach Ansicht des EuGH gekürzt werden.

Durchschnittlicher Bruttolohn ohne Kurzarbeit: 3000 € / Monat
Durchschnittlicher Bruttolohn während Kurzarbeit: 1500 € / Monat
Tarifvertrag: 30 Tage vergüteter Urlaub, Kurzarbeit anspruchsmindernd berücksichtigt
(2250 € für 6 Wochen Urlaub) -> Gesamt: 2250 €

EuGH: 10 Tage vergüteter Urlaub, Kurzarbeit nicht anspruchsmindernd berücksichtigt
 (1500 €);  20 Tage nach deutschem Recht, Kurzarbeit anspruchsmindernd berücksichtigt (1875 €) -> Gesamt: 3375 €

Das Zusammenspiel von deutschem Recht und Unionsrecht führt im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Bewertung der Höhe der Urlaubsvergütung.
Zwar ergibt sich im vorliegenden Fall für den Kläger eine höhere Urlaubsvergütung, da zwei Wochen auf Grundlage des Bruttojahresgehaltes ohne Kurzarbeit vergütet werden müssen, allerdings bleibt es den Tarifvertragsparteien künftig weiterhin unbenommen, die Urlaubstage, die über die vom europäischen Recht hinausgehen, nur gekürzt zu vergüten oder sogar weniger Urlaubstage zu gewähren.

Es ist zu befürchten, dass im Ergebnis für die betroffenen Arbeitnehmer keine höhere Urlaubsvergütung entsteht. Das Urteil ist mit Vorsicht zu genießen und stellt sich als weitestgehend folgenlos heraus.

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